Wissenschaftler enthüllen: 53 Billionen unsichtbare Partikel pro Stunde vergiften dein Zuhause

Der feine, fast unsichtbare Rußfilm auf der weißen Zimmerdecke ist kein rein ästhetisches Problem. Er ist ein chemisches Symptom für ein Ungleichgewicht in der Verbrennung – und ein Indikator dafür, dass das Zuhause, eigentlich ein Ort von Entspannung und Wohlgeruch, still und unbemerkt verunreinigt wird. Duftkerzen, so beliebt sie auch sind, erzeugen bei falscher Nutzung mikroskopisch kleine Rußpartikel, die nicht nur die Wände schwärzen, sondern auch die Atemluft belasten.

Die Dimension dieses Problems wird erst durch wissenschaftliche Messungen sichtbar. Forschungen des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung Leipzig offenbaren das wahre Ausmaß der unsichtbaren Belastung: 53 Billionen winzige Teilchen steigen pro Stunde von einer einzigen brennenden Kerze in die Luft. Diese Messungen aus 40 Berliner und Leipziger Wohnungen zeigen, dass selbst eine harmlos erscheinende Kerze eine messbare Feinstaubquelle darstellt.

Wie Ruß aus Duftkerzen entsteht – und warum er mehr ist als nur Schmutz

Ruß entsteht, wenn beim Verbrennen von Wachs – meist Paraffin, seltener pflanzliche Alternativen wie Soja oder Raps – nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung steht. Der chemische Prozess bleibt unvollständig; die Kohlenwasserstoffe im Wachs zerfallen in Kohlenstoffpartikel. Diese ultrafeinen Partikel sind weniger als 2,5 Mikrometer groß, also unsichtbar und lungengängig.

Ein zu langer oder ungetrimmter Docht verstärkt dieses Problem erheblich. Je länger der Docht, desto größer die Flamme, desto heißer der Brennvorgang – und desto unvollständiger die Verbrennung. Hinzu kommen Temperaturunterschiede, die Luftströme erzeugen und den Ruß im Raum verteilen.

Was dabei oft übersehen wird: Die hohen Temperaturen in der Kerzenflamme lösen weitere chemische Reaktionen aus. Wie Tunga Salthammer und sein Forschungsteam vom Fraunhofer-Institut für Holzforschung Braunschweig dokumentierten, entstehen bei Temperaturen über 1000 Grad Celsius nicht nur Kohlenstoffpartikel. Die beiden Hauptbestandteile der Luft, Stickstoff und Sauerstoff, reagieren miteinander und bilden Stickoxide – gasförmige Stoffe, die als reizend für Atemwege gelten.

Unsichtbare Ablagerungen und ihre chemische Persistenz

Haushaltsexperten sehen in der Rußbildung ein typisches Beispiel für Diffusion und Adsorption: Partikel schweben in der Luft, treffen auf kalte Oberflächen und lagern sich dort an. Tapeten, Lampenschirme und Vorhänge wirken wie Filter mit hoher Haftfähigkeit. Besonders problematisch sind Textilfasern – ihre mikroskopische Struktur bindet Ruß effizient und gibt ihn nur ungern wieder frei.

Die Forschungsarbeit des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung zeigt, dass sich diese Problematik in der kalten Jahreszeit verschärft. Ihre Messungen ergaben, dass der Anteil des in der Wohnung erzeugten Feinstaubs auf 70 Prozent anstieg, da Fenster geschlossen blieben und die natürliche Luftzirkulation stark eingeschränkt war.

Rußpartikel sind zudem hydrophob, sie stoßen Wasser ab. Deshalb reichen feuchte Lappen oft nicht aus, um Verschmutzungen zu entfernen. Das erklärt, warum alkalische Reiniger mit geringer Schaumbildung vorzuziehen sind – sie brechen die Bindungen, ohne die Oberfläche zu beschädigen.

Physikalische Prävention: Richtung, Temperatur und Sauerstoff als Kontrollparameter

Wer verstanden hat, dass Ruß eine Folge unvollständiger Verbrennung ist, kann gezielt gegensteuern. Drei Variablen sind entscheidend, wobei wissenschaftlich fundierte Empfehlungen präzise Richtlinien vorgeben:

Zudem spielt der Sauerstoffanteil im Raum selbst eine Rolle. Ein gut gelüftetes Zimmer erlaubt eine gleichmäßige Flamme mit stabiler Temperaturzone. Ist die Luftfeuchte zu hoch oder die Belüftung zu gering, ändert sich die Flammenform – sie verlängert sich, neigt sich und produziert sofort sichtbare Rußwölkchen.

Die Materialwissenschaft hinter dem richtigen Kerzenwachs

Die Wahl des Wachstyps entscheidet über das chemische Verhalten beim Abbrennen. Hier zeigen wissenschaftliche Untersuchungen deutliche Unterschiede auf: Paraffin, ein Nebenprodukt der Erdölraffination, brennt zwar stabil, aber mit höherer Rußproduktion.

Eine wegweisende Studie der South Carolina State University aus dem Jahr 2009 liefert konkrete Empfehlungen: Die Forscher empfehlen Kerzen aus Bienenwachs- oder Sojabasis, denn diese produzieren im Test keine erkennbaren Mengen unerwünschter Substanzen und erzeugen weniger Ruß. Sojawachs besitzt längere Fettsäureketten pflanzlichen Ursprungs, die sauberer verbrennen – allerdings empfindlicher auf Zugluft reagieren.

Bienenwachs stellt einen Sonderfall dar: Seine natürliche Zusammensetzung enthält Ester und freie Fettsäuren, die einen hohen Schmelzpunkt erzeugen und eine langsamere, gleichmäßigere Flamme ermöglichen. Die Fraunhofer-Institut-Studie von Tunga Salthammer verglich systematisch verschiedene Kerzenwachse und dokumentierte diese unterschiedlichen Emissionsprofile wissenschaftlich fundiert.

Gefährliche Altlasten: Was in älteren Kerzen steckte

Eine technisch saubere Duftkerze sollte außerdem über baumwollfreie, metallkernlose Dochte verfügen. Ältere Kerzendochte enthielten teilweise Metalle wie Zink oder sogar Blei, was zu unkontrollierten Temperaturanstiegen führte. Bleidochte wurden inzwischen offiziell verboten – eine regulatorische Maßnahme aufgrund schwerwiegender Gesundheitsbedenken.

Hochwertige Dochte aus geflochtener Baumwolle oder Hanf minimieren das Risiko von Metallbelastungen und bieten einen gleichmäßigeren Kapillareffekt. Dies ist nicht nur eine Frage der Verbrennungsqualität, sondern auch der langfristigen Gesundheitsvorsorge in geschlossenen Räumen.

Warum Schwarz an den Wänden nicht nur optisch problematisch ist

Ruß ist kein statischer Ablagerungsstoff. Untersuchungen der Innenraumhygiene zeigen, dass die Partikel nach Ablagerung weiterhin chemisch aktiv bleiben. Sie interagieren mit Feuchtigkeit, Duftstoffen und sogar mit ozonhaltiger Raumluft, wodurch sekundäre Reizstoffe entstehen können. Insbesondere in geschlossenen Räumen mit Klimaanlagen zirkulieren diese Moleküle über Wochen.

Eine scheinbar banale Schwärzung an der Decke ist also Teil einer komplexen Kette aus mikrochemischen Wechselwirkungen, Wärmeleitung, Luftzirkulation und Materialphysik – ein Beispiel dafür, wie geringe Nachlässigkeiten in der Anwendung materiell messbare Auswirkungen entfalten.

Die gesundheitlichen Aspekte werden durch weitere Forschungsergebnisse unterstrichen. Das Team um Tunga Salthammer dokumentierte besorgniserregende Befunde: Wenn Duftstoffe in der heißen Kerzenflamme verbrennen, entstehen Verbindungen wie Formaldehyd oder Acetaldehyd, aber auch komplexe, kaum bekannte Stoffgemische.

Reinigung: Mikrofasertuch, Physik und Geduld

Das Entfernen von Ruß erfordert Verständnis der Oberflächenchemie. Viele greifen instinktiv zu aggressiven Haushaltsreinigern – ein häufiger Fehler. Die Pigmentpartikel werden dadurch zwar oberflächlich gelöst, aber tiefer in die Poren gedrückt. Ein leicht angefeuchtetes Mikrofasertuch nutzt elektrostatische Effekte, um Partikel anzuziehen statt zu verschmieren.

Bei Decken und Wänden empfiehlt sich ein sanftes Wischen von unten nach oben, damit keine Tropfenstreifen entstehen. Für stärker verschmutzte Bereiche helfen spezielle Rußradierer aus Melaminschaum. Ihr Erfolg basiert auf physikalischer Abrasion mikroskopischer Partikel – gewissermaßen ein ultrafeiner mechanischer Staubsauger, der ohne Chemie auskommt.

Vernachlässigte Faktoren: Aromazusätze und Brenngefäße

Ein kaum diskutierter Aspekt betrifft die Duftöle und Farbstoffe selbst. Viele synthetische Parfumöle enthalten flüchtige organische Verbindungen, die beim Erhitzen chemisch instabil werden. Wenn diese Moleküle während der Verbrennung unzureichend oxidieren, fungieren sie als zusätzliche Rußquelle. Die Forschung des Fraunhofer-Instituts bestätigt diese Bedenken: Komplexe Aromamoleküle zersetzen sich bei hohen Temperaturen unpredictabel.

Ein klarer, kaum gefärbter Wachsblock verbrennt daher messbar sauberer als intensiv pigmentierte oder stark duftende Varianten. Auch das Gefäß spielt eine Rolle: Glasbehälter absorbieren Hitze ungleichmäßig. Wenn eine Seite überhitzt, verändert sich die Flammenform – der Rußertrag steigt. Hochwertige Kerzengläser mit hitzebeständiger Wandstärke verhindern solche thermischen Gradienten.

Luftqualität und Wartung von Innenräumen

In geschlossenen Räumen sammeln sich Feinstaubpartikel aus zahlreichen Quellen. Eine Kerze mag unscheinbar wirken, doch die wissenschaftlichen Messungen des Leibniz-Instituts zeigen die reale Dimension auf. Bei täglicher Nutzung können sich erhebliche Mengen von Partikeln ansammeln, besonders in schlecht belüfteten Wohnräumen.

Die einfachste Gegenmaßnahme ist kontrollierte Stoßlüftung: Mehrmals täglich für fünf bis sieben Minuten bei vollständig geöffnetem Fenster. Im Winter reicht ein kurzes Lüften aus – die Raumluft wird erneuert, ohne dass Wände und Möbel auskühlen. Luftreiniger mit HEPA-Filtern können diese Strategie ergänzen, indem sie kleinste Partikel aus der Luft filtern.

Nachhaltige Alternativen: Brennstoffe, Dochte und bewusster Konsum

Der Markt für Duftkerzen wandelt sich. Mit steigender Sensibilität für Raumhygiene gewinnen pflanzliche Wachse und ätherische Öle ohne synthetische Zusätze an Bedeutung. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der South Carolina State University haben diese Entwicklung beeinflusst: Ihre Studie bewies, dass pflanzliche Wachse messbar sauberer verbrennen.

Wer den Rußeffekt komplett vermeiden will, kann auf LED-Duftdiffusoren ausweichen, die Aromen mittels Ultraschall vernebeln. Dabei entsteht weder Ruß noch Hitze – ein physikalisch eleganter Weg zur sauberen Duftverteilung, der die chemischen Risiken der Verbrennung vollständig eliminiert.

Auch Dochte aus Holz – eine jüngere Innovation – zeigen interessante Effekte: Sie brennen gleichmäßiger, erzeugen ein leises Knistern und bleiben kürzer. Die geringere Flammenbewegung reduziert die Rußbildung deutlich. Allerdings benötigen sie spezifische Wachsmischungen mit höherer Schmelztemperatur.

Das Gleichgewicht zwischen Atmosphäre und Hygiene

Mit etwas Achtsamkeit lässt sich das Schöne – Licht und Duft – ohne den unsichtbaren Nachteil erleben. Die besten Ergebnisse entstehen, wenn Technik, Chemie und Sinneserfahrung zusammengedacht werden: eine Kerze, die sauber brennt, ein Raum, der ruhig duftet, und eine Luft, die rein bleibt.

Die Empfehlungen der South Carolina State University für Bienenwachs- und Sojabasiskerzen sind praktische Lösungen für bewussten Kerzengenuss. Kombiniert mit den Dochtrichtlinien des Bundesinstituts für Verbraucherschutz ergibt sich ein wissenschaftlich fundiertes Gesamtkonzept.

Das Gleichgewicht zwischen Atmosphäre und Hygiene lässt sich erstaunlich leicht herstellen. Es beginnt bei der kleinen, täglichen Geste, den Docht auf die richtige Länge zu schneiden, das Fenster zu öffnen und die Flamme zu beobachten. Wer diese Routinen pflegt, erhält das, was Duftkerzen ursprünglich versprechen sollten – Ruhe, Licht und Reinheit, ohne Spuren auf Wänden oder in der Lunge zu hinterlassen.

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass bewusster Kerzengenuss möglich ist. Die 53 Billionen Partikel pro Stunde sind eine reale Größe, aber keine unabwendbare Bedrohung. Sie werden zum Problem erst durch Unwissen und Nachlässigkeit – und zur lösbaren Aufgabe durch Verständnis und methodische Vorgehensweise.

53 Billionen Rußpartikel pro Stunde: Welche Kerzen brennen bei dir?
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